Hinweispflichten aus dem Nachweisgesetz, BAG 22.09.2022 – 8 AZR 4/21

Leitsätze
  1. Kommt der Arbeitgeber mit seiner Verpflichtung aus § 2 Abs. 1 Satz 1 NachwG in der bis zum 31. Juli 2022 geltenden Fassung (im Folgenden aF), dem Arbeitnehmer eine Ausschluss-/Verfallfrist nachzuweisen, in Verzug, hat er nach § 280 Abs. 1 und Abs. 2, § 286 BGB dem Arbeitnehmer den dadurch adäquat-kausal verursachten Schaden zu ersetzen. Der Schadensersatzanspruch besteht in Höhe des erloschenen Vergütungsanspruchs, wenn dieser nur wegen der Versäumung der Ausschlussfrist erloschen ist und er bei gesetzmäßigem Nachweis seitens des Arbeitgebers nicht untergegangen wäre.
  2. Weist der Arbeitgeber entgegen § 2 Abs. 1 Satz 1 NachwG aF eine Ausschluss-/Verfallfrist nicht nach, ist grundsätzlich zu vermuten, dass der Arbeitnehmer die Frist im Falle eines Hinweises beachtet hätte.
  3. Die Vermutung aufklärungsgemäßen Verhaltens reicht allerdings nicht so weit, dass angenommen werden kann, der Geschädigte hätte ihm nicht bekannte Ansprüche rechtzeitig vor Ablauf der Ausschluss-/Verfallfrist geltend gemacht. Ansprüche, die dem Arbeitnehmer nicht bekannt sind, hätte dieser auch in Kenntnis der Ausschluss-/Verfallfrist nicht rechtzeitig geltend machen können.

Es hatte ein Küster gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber Klage auf ausstehende Vergütung aufgrund einer falschen Eingruppierung in die Besoldungsgruppe erhoben. Ausweislich der kirchlichen Arbeits- und Vergütungsordnung (KAVO) zwischen den Parteien untersteht der Vergütungsanspruch jedoch einer Ausschlussfrist. Diese Frist hatte der Kläger versäumt, sodass die Beklagte der Auffassung war, dass kein Anspruch auf Vergütung mehr gegen sie bestünde. Der Kläger hielt dagegen, dass er keine Kenntnis über die vereinbarte Ausschlussfrist hatte und somit der Vergütungsanspruch nicht erloschen sei. Das Gericht hat festgestellt, dass der Vergütungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte aufgrund der vereinbarten Ausschlussfrist erloschen ist.

Die Unkenntnis einer Partei über eine Ausschlussfrist hat keine Unwirksamkeit der Frist zur Folge. Es kann jedoch ein Schadensersatzanspruch bestehen, wenn die Unkenntnis darauf beruht, dass der Arbeitgeber seiner Nachweispflicht gem. § 2 Absatz 1 Satz 1 NachwG nicht nachgekommen ist. So haben Arbeitgeber die Pflicht zum Nachweis der Ausschlussfrist spätestens innerhalb eines Monats nach Beginn des Arbeitsverhältnisses. Voraussetzung für einen entpsrechenden Schadensersatzanspruch ist aber, dass der unterlassene Nachweis der Ausschlussfrist kausal für das Versäumen der Ausschlussfrist war. Es ist anzunehmen, dass bei Kenntnis des Arbeitnehmers die Ausschlussfrist eingehalten worden wäre. Dies gilt jedoch nur für Ansprüche, die dem Arbeitnehmer bekannt sind. Nur dann kann davon ausgegangen werden, dass Arbeitnehmer seinen Anspruch vor Ablauf der Ausschlussfrist durchgesetzt hätte.

Die Vermutung aufklärungsgemäßen Verhaltens reicht nicht so weit, dass man unterstellen kann, der Arbeitnehmer hätte ihm nicht bekannte Ansprüche bei Kennen der Ausschlussfrist rechtzeitig geltend gemacht. Erlischt also ein Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers besteht der Schadenersatzanspruch in Höhe des erloschenen Vergütungsanpruchs, soweit dieser nur wegen der Versäumung der Ausschlussfrist erloschen ist und bei gesetzmäßigem Nachweis seitens des/der Arbeitgebers:in nicht untergegangen wäre.

Fazit: Arbeitgeber sollten ihrer Nachweispflicht nachkommen, um nicht etwaigen Schadensersatzklagen ausgesetzt zu sein. Hierzu kann überprüft werden, ob bei Arbeitsvertragsmustern die gesetzlichen Vorgabe des NachwG eingehalten sind oder ob Muster, insbesondere auch Kündigungsschreiben etc. an die neue Rechtslage anzupassen sind.